Mein Herz ist nach der letzten Reise in den Lorinan wieder ein wenig zur Ruhe gekommen. Die Erinnerung an die Träume ist noch frisch, doch blieben weitere Wege in die jenseitige Welt mir in den letzten Tagen erspart.
Es scheint mir daher an der Zeit, Angus Geschenk zu würdigen und ein neues großes Werk zu beginnen. Ich weile noch immer im Lorinan und ich werde nicht mehr gehen - sollte es mir gewährt werden -, bis die Dunkle Flut und der Schwarze Wind hier eingefallen ist und Beute unter uns gehalten hat.
Dieses notwendige Werk wird die jüngere Chronik des Lorinan, eine Zusammenstellung aller Ereignisse, Geschichten und Träume, die sich in den letzten Jahren zutrugen und mir bekannt wurden. Denn dem kommenden Sturm dürfen und können wir uns nicht unvorbereitet stellen, wenn wir überleben wollen. So wichtig es ist, aus den Elben des Bundes und des Lorinan eine Einheit im Kampfe zu schmieden, so wichtig ist es, daß ein jeder, der sich erneut auf den Weg in den VielTraumWald machen möchte, versteht, um was es geht.
Wenn der Tag gekommen ist, werden sich die Ereignisse überschlagen und es wird uns nicht die Zeit bleiben, jedem von denjenigen, die gekommen sind, alle Klarheit zukommen zu lassen, die möglich wäre. Nein, jedem der Krieger, jedem der Heiler, jedem der Gelehrten möchte ich im Vorhinein Kenntnisse von den Ereignissen und Zusammenhängen vermitteln, die letztlich zu dem kommenden Krieg führen werden, auf daß ein jeder mit genauster Vorstellung von Gefahren und Zielen seine Entscheidung treffen kann. Denn nur derjenige, in dessen Herz Verständnis Einzug gehalten hat, wird im rechten Moment die Tat vollbringen können, die uns zum Vorteil gereichen oder schlicht unser aller Überleben wird sichern können.
Darum leit mir eure Aufmerksamkeit und leset genau die Worte, die ich euch zukommen lasse. Es sind nicht nur die meinen, sondern auch Erinnerungen Angus Thorsons werdet ihr wiederfinden. Desweiteren fühle ein jeder, der andere Einsichten als die hier niedergelegten gewinnen konnte, ermutigt, seine Stimme zu erheben, zu fragen, zu verbessern und uns allen das Bild farbiger zu gestalten. Ich werde keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erheben, denn vieles stammt aus sich verdunkelnden Erinnerungen. Meine Tage im Lorinan werden dazu dienen, Lücken zu füllen und lernen, was es zu lernen gibt. Ich werde Boten zu euch senden oder selbst reisen, sollte die Zeit es zu lassen, auf daß ihr das Werk begutachten und selbst ein Teil davon werden könnt.
Möge das Meer euch Weg und der Wind ein Gefährte sein.
Nerdanel athranor-dalath-i-myth
Die Elbe betrachtete den Brief eine Weile, dessen Worte sie niedergeschrieben hatte, um sie in der Dämmerung dem Wind zu übergeben.
Ihre Entscheidung stand und sie hatte bereits begonnen, ihr Wissen eine Form zu geben.
Doch zuvor würde sie mit Tiralidh oder einem der Tirme sprechen müssen, um sie zu bitten, im Lorinan verbleiben zu dürfen. Und dann gab es noch unbeantwortete Fragen, an Cîrnallan insbesondere. Und an Ianadil.
Vielleicht war die Wahrscheinlichkeit hier höher, weiter unter den Träumen Itheldils oder Ithrathiels leiden zu müssen, doch wenn er bzw. sie die Macht besaß, Mîr-en-féa weit außerhalb der Grenzen des Waldes zu schaden, dann bestand keine Veranlassung, vor ihm und seiner Drohung zu fliehen. Er würde sie finden, egal wohin sie ihre Schritte wendete.
Rasch machte sie sich auf die Suche, um ihre Arbeit fortsetzen zu können.
Auszug aus den Aufzeichnungen Nerdanels.
Teilweise unvollständig und noch im Prozeß der Bearbeitung.
Es ist keine schöne, aber eine zweckmäßige Handschrift, die folgende Worte auf vielen einzelnen Seiten festhielt. Eine Reihe von Streichungen und Ergänzungen finden sich an den Rändern. Chronik des Taurelilorinan
- Vor zwei Sonnenläufen im Frühjahr
Eisstein. Eine stumme Fee umgeben von eisigem Hauch trägt den Stein zu uns, doch es ist uns nicht möglich, ihre Gesten und Mimik zu deuten. Der Stein trägt Runen - wenn meine Erinnerung mich nicht trügt. Er lag am falschen Platz, soviel konnten wir in Erfahrung bringen und er wird zum Felsen, an dem sich der Platz der Fee(?) befindet, zurückgebracht. Im nächsten Jahr taucht er erneut auf. Man wird versuchen, ihn mittels dem Wirken von Göttern zu untersuchen, einem Ansinnen, dem Mìr-en-fea entgegentritt. Weiteres dazu siehe Über das Wesen der Feen
Pilze
Am Pilzkreis, Lebenslinien. Eine von diesen ist bereits dunkel und verläuft von den Teichen hier hinauf.
Loriel: eine tragische Geschichte. Sie liebt Itheldil, wird von ihm allerdings abgewiesen. Sie versucht sogar, ihren Körper zu dem einer Nymphe zu verändern, was halbwegs gelingt. Sie findet den Tod.
Luinil: In ihrem Zusammenhang wird immer wieder von einem weißen Wolf gesprochen.
Im Herbst wird der Kristallbaum gesetzt, um die reine Kraft des Lorinan zu stärken.
Zu den Ereignissen vor zwei Jahren finden sich viele Details und Anmerkungen im ersten Brief Tilion Schattenstreifs.
- Vor einem Jahr
Im folgenden Frühjahr kehren viele von uns zurück.
Itheldils Verrat
Mir-en-fea und Lavariel werden verbannt
Ianadil verschwindet durch das Feentor
Arien wird entführt und zurückgeholt
Nechtul wird aus seinem Gefängnis durch den Bruch der Siegel entlassen
In diesem Frühjahr ist der Wald von Verfall gekennzeichnet. Der zweite Krieg mit den Feen, die Rache Nechtuls - und Itheldils/Ithrathiels - wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Der Kristallbaum treibt schwarze Dornen, viele der Lorinanrosen, die auf den Lebenslinien wachsen, blühen schwarz statt rot.
Über das Wesen der Feen
Vieles dieses Wissens geht zurück auf lange Gespräche mit Mîr-en-fea und Cuthalion. Es ist die Sammlung aus allen Jahren, die ich den Lorinan bereist habe.
Neben der bekannten Schwäche gegen Salz zeigen die Feen auch eine Schwäche gegen das von Glauben erfüllte gesprochene Wort.
Cuthalion sagt: Das Wesen der Feen ist das Spiel. Selbst die sogenannten lichten Höfe haben kein Interesse daran, was uns in dieser Welt geschieht.
Von den Feenhöfen gibt es vier: den Lichthof, die Wächter, die Wylde Hand und den Schwarzen Wind.
Namen von Feen: Malfeas, Farnea, Ithrathiel
Malfeas ist der Schwarze Wind, der Herr des Wahnsinns.
Die Feen sind je nach ihrer Natur von sehr unterschiedlicher Macht. Eine Nymphe ist ein schwächeres Feenwesen, eine Dryade ebenso. Beiden ist gemein, daß sie eine starke Repräsentanz in dieser Welt besitzen. Der Satyr ist ebenfalls nicht gleichwertig zu einer tatsächlichen Fee. Und die Erdfeen sind nichts anderes als Erde, durch den Wunsch der Feen bewegt. Eine Fee ist stoffliche Magie, sagt Cuthalion. In ihrer Welt nehmen Wünsche Form an. Auf diese Art kann es Ianadil möglich gewesen sein, die um Hilfe ersuchenden Briefe in der Feenwelt zu verfassen: er wünschte, und sie traten in Existenz. Nur für den Transport bediente er sich anderer, der Fee Flöckchen.
Mir-en-fea spricht über das magische Wirken der Feen immer über ein Weben: Fäden der Magie werden zusammen versponnen, um daraus den Effekt zu erzielen. Fäden.. damit verbinden sich viele Bilder: umsponnen von dem Wirken einer Fee wird der eigene Geist schwach und ihr hörig, ..
Doch wenn die Essenz der Feen aus Magie besteht, was folgt daraus für den Kampf gegen sie? Sie werden meisterlich im Umgang mit der Kraft sein, da es einfach ihrem Wesen entspricht.
Die Tore zwischen ihrer und unserer Welt können nur geöffnet oder geschlossen werden, wenn es auf beiden Seiten jemanden gibt, der das Wissen und Können dazu besitzt.
Auf diese Weise war es vor zweihundert Jahren möglich, daß die Nymphe Noaphrelil mit Itheldils Hilfe das Tor öffnete und den Feen den Weg in den Wald und zu blutigem Kampfe bahnte. Im Zuge des damaligen Krieges wurde Cirnallans Frau getötet, Cuthalion tötete die Nymphe.
Der Krieg begann über einen mißglückten Versuch: der Satyr Nechtul lebte eine Zeit bei den Elben und lernte die Wege der Druiden. Es gierte ihn jedoch nach der Macht der Lebenslinien, die den Wald durchfließen. Über seine Zurückweisung entbrannte der Streit.
Der Krieg wird beendet und ein Vertrag wird geschlossen: die Elben schaffen gemeinsam mit den Feen ein Gefängnis, um den Dunklen Satyr Nechtul darin festzusetzen. Darin soll er solange eingeschlossen sein, bis die Feen wünschen, ihn wieder zu entlassen.
Im letzten Jahr fiel das Amt des Hochkönigs in die Hände der Dunklen Feen, die Wylde Hand stellt den Hochkönig und wünschte ihren Verbündeten Nechtul wieder befreit. Darum brachen die Elben im letzten Jahr - so wie Cirnallan es wünschte - die alten Siegeln, um den Vertrag einzuhalten. Jetzt, wo ich langsam die wahre Macht dieser Geschöpfe zu erahnen beginne, fange ich an, sein Verhalten zu begreifen. Mir erschien es vor einem Jahr töricht und weit ab aller Interessen seines Volkes. Wie kann man jemanden freilassen, der bereits einmal Verwüstung und Tod über den Wald und seine Bewohner brachte? Doch daß hinter Nechtul noch eine viel größere und unberechenbarere Macht steht, war mir nicht bewußt. Der Satyr ist ein Spielzeug der Feen, ein mächtiges vielleicht, aber nichtsdestotrotz ein Spielzeug.
Arien
(Hier findet sich nur die Kurzfassung der Ereignisse. Genaueres entnehme man den Briefen Tilion Schattenstreifs.)
Die Tochter Glîr-en-feas und Tilions wird im Jahr von Itheldils Verrat geboren. Sie ist das erste Elbenkind, das seit vielen Jahren ( Cîrnallan nannte mir die Antwort, doch ich behielt die Zahl nicht: 60 oder 80 Jahre waren es) in das Licht der Welt tritt. Im Jahr zuvor ging dieser Geburt allerdings ein Handel mit einer Priesterin der Freya voraus.
Ariens Geburt hat erst einmal nichts mit den Feen zu tun. ( warum erhebt dann Malfeas Anspruch?).
Aus welchem Grunde erhoben die Feen Anspruch auf das Kind Arien.
Arien wird von Malfeas, einer dunklen Fee, entführt.
Ich erinnere mich leider nicht an alle Einzelheiten. Im Zusammenhang mit Malfeas war davon die Rede, daß er droht, die Seele des Kindes in einen Spiegel zu bannen, und einen ganzen Spiegelsaal mit derart angefüllten Spiegeln besitzt.
Es ist Mîr-en-féa, die entsprechendes Weben gemeinsam mit Calenlyra vornimmt, um ihr selbst, Lavariel, Glîr-en-fea und Tilion den Weg durch einen Traum in das Feenreich zu öffnen und Arien zurückzugewinnen. Diese Mission gelingt, wenn auch gleichzeitig schwere Angriffe auf uns Verteidiger niedergehen und die Körper der Schlafenden verschwinden. Als Irrlichter kehren sie zurück und nur die Macht Tiralidhs kann ihnen wieder in ihre diesseitige Existenz verhelfen.
Was dort vor Ort geschah, vermag ich nicht zu berichten und ich hoffe auf viele Ergänzungen zu dieser traurigen Geschichte.
Lavariel, der so wie ich in diesem Jahr zurückkehrte, sprach davon, Tiralidh hätte ihn wohlwollend empfangen und zugegeben, daß ihre damalige Haltung zu der Rettung von Arien ein Fehler gewesen war. Es gab vor einem Jahr keinerlei Unterstützung von ihrer Seite, viel mehr sollten sich die Eltern mit dem Verlust abfinden. Ob ich ihn falsch verstanden habe, oder er Tiralidh, ich denke, ich werde es erfahren, wenn ich endlich wage, Cîrnallan alle diese verbleibenden Fragen zu stellen. Ich muß mit Gewißheit in den kommenden Kampf gehen können.
Itheldils Verrat
Der Druide Itheldil ist es wert, unabhängig von allem anderen genannt zu werden.
Seine Verbrechen wurden erst spät entdeckt, doch die Träume sprechen hier so klar, so daß über seine traurige Geschichte hier berichtet werden soll.
Ich habe meine Einstellung ihm gegenüber im Moment geändert. Zwar bereue ich nicht, dem Impuls nachgegeben zu haben, ihn richten zu wollen, aber ich bin voller Trauer, daß ich selbst soweit meine Wurzeln vergaß, daß die offensichtliche Lösung, ihn durch die Kraft der Gemeinschaft aus der Dunkelheit seiner Tage zu retten, mir erst in den Hallen Fuinarels bewußt wurde, wo mir selbst herzliches Willkommen und Gemeinschaft beschieden war. Daher gebe ich ihn nach den Worten Cuthalions noch nicht auf! Itheldil steht tief in des Netz der Dunklen Fee Ithrathiel verstrickt, doch ihre Fäden durchtrennt könnten seinem Weg eine Wendung zurück ins Licht geben.
Wären dies allein meine Gedanken, dann hätte ich Zweifel, ob es möglich sein sollte, doch es sind die Worte des alten Jägers, die ich wiederhole und der mir die Hoffnung ins Herz pflanzte. Wir sind uns einig: scheitert der Versuch und ist es uns nicht möglich, Itheldil zurückzuholen, dann werden wir ihn töten. Die Gefahr, die er für den Lorinan darstellt, in der Hand der Dunklen Fee - die zum Schwarzen Wind gehört, vgl. der Traum zur Entstehung Ithrathiels - ist zu groß, da er die Verbindung zu unserer Welt sein kann, mit der es möglich wird, die Tore erneut zu öffnen.
Traum: Ithrathiels Geburt
Diesen Traum habe ich willentlich mit Gwirithiens Hilfe herbeigeführt. Ich suchte nach Ithrathiel, ihrer Manifestation, ihrem Geheimnis in den Schatten des Nymphenteiches, den Itheldil sich auserwählt hatte, um darin zu entschwinden. Denn Cuthalion hatte davon gesprochen, daß die Schatten beginnen würden, Form zu gewinnen, und ich verstand seine Worte so, als würden die Feen zunehmend Gestalt in dieser Welt annehmen können, ihre Form sich in den Schatten unserer Welt manifestieren und schließlich eigenes Leben gewinnen.
In diesem Traum leitete mich Gwirithiens Stimme und Cuthalion war mein Anker. Doch mein Geist beschritt einen weiten Weg, auf dem Gwirithien mich nicht begleiten konnte. Er bezahlte mehr für die Erfahrung, die ich machte, denn ich selbst, auch wenn mich die Musik Ithrathiels weiterhin meine Seele mit Schrecken erfüllt.
Ich träumte: Mit dem Körper der toten Nymphe stand Itheldil am Teich. Für den Augenblick war in den dunklen Wassern das Gesicht des Satyrs zu erblicken und sie schienen zu sprechen. Ein Kampf fand in Itheldil statt, er entschied noch nicht. Zeit verging und die Miene des Druiden wurde mehr und mehr zu Stein, jegliches Gefühl hatte sein Herz verlassen. Ein Amulett mit einer Haarlocke der Nymphe, ihr Geschenk von einem früheren Treffen, trug er immer noch mit sich. Und zu einem uns zeitlich näheren Moment ging er auf den Handel ein: er brachte das Amulett zum Teich, der Körper der Toten erschien und er kniete nieder. Die Züge seines Gesichtes nahm seit zweihundert Jahren zum ersten Mal wieder Regung auf und spiegelten den unendlichen Verlust wieder, den er erlitten hatte, aber auch seinen Haß, seine Trauer. Während er mit geschlossenen Augen kniet, erhebt sich ein sanfter Wind, der langsam an Kraft gewinnt, bis es ein uneinheimlicher Orkan wird, versetzt mit kreischenden Stimmen. Aus der lichten Gestalt der Nymphe bricht ein dunkler Schein hervor, Schlieren, die das Licht verdunklen steigen auf, beginnen sich zu verzweigen, zu weben, bis schließlich eine weibliche Gestalt aus ihnen erwächst, hochaufgerichtet und völlig schwarz und verschleiert, die ruhig im Auge des Sturmwindes steht. Der Sturm entwurzelt junge Bäume, er wütet im Wald und alles, was durch ihn fällt, überzieht in Windeseile eine Fäulnis, die das Holz zerfallen läßt und Schimmel breitet sich aus. Der Druide Itheldil nimmt nichts davon war.
Die dunkle Fee, vollständig aus dem Körper der Nymphe erstanden, der nicht länger existiert, berührt ihn sanft und da schlägt er die Augen auf. Sein Blick ist Unglaube erst, doch er wandelt sich schnell in grenzenlose Liebe, neu erflammt, als sie spricht: „Ich bin zurück. Die Zeit und der Wille derer, die uns verrieten, wird nicht mehr zwischen uns stehen. Endlich bin ich dein und du bist mein.“
Ich versuche zu fliehen, sehe noch ihren leidenschaftlichen Kuß, ehe ich mich endgültig zur Flucht wende. Als ich den Waldrand erreiche und Hoffnung auf ein Entkommen hege, steht Ithrathiel unvermittelt vor mir. Ihr Erscheinen raubt mir jede Kraft, ich breche zusammen. Sie sagt, ich solle die Zeit genießen, nicht sinnlos fliehen. Der Schritt über den Abgrund sei schon beschlossen, das Lied unseres Endes schon gespielt. Und sie zieht ihre beinerne Flöte und beginnt eine Weise zu spielen, die meinen Geist schmerzhaft berühren, sanft zerschneiden, bis er schließlich in Vergessen flieht... Ob ich je wieder aufgewacht wäre, hätte mich Gwirithien nicht geweckt? Das Grauen bleibt präsent in mir, da sind blutige Tränen auf meinem Gesicht.
Die Gelegenheit, mit Cuthalion und Cîrnallan über den Traum zu sprechen, ist qualvoll und bringt mir doch etwas Erleichterung. Cuthalion vertritt die Ansicht, daß wir eine wichtige Erkenntnis aus diesem Traum gewinnen können: Ithrathiel wurde zwar durch einen Handel mit Nechtul geschaffen, der zur Wylden Hand gehört, die wirkliche Kraft zu ihrer Schöpfung entstammt aber dem Schwarzen Wind, einem anderen der Feenhöfe. Meinem Volk ist es nicht fremd, den Sturm zu singen und ich bin mir sicher, daß eine Strophe aus Dawelins Lied davon handelt, wie man den Wind umfaßt und wieder zu einem sanften Ton dämpft. Mir ist sie leider nicht bekannt, und ob ich noch aufbreche, um bei Fuinarel oder Vohiriel danach zu suchen, weiß ich nicht. Cuthalion sagt, ich solle über diese Verbindungen, über den Schwarzen Wind nachdenken, und ich nehme seine Worte ernst. Hier mag ein Schlüssel zu Ithrathiels Wesen und damit dem Ende ihrer Existenz liegen.
Im Moment glaube ich fest an eine Kraft der Musik, die ich ihr entgegenzustellen wünsche. Wie lange benötige ich, um eine Melodie zu finden, die ihr die Kraft raubt, so wie ihr Lied meinen Geist zu zerstören drohte? Ich werde von dem Lied ausgehen, das Olwaran lehrt und das den Sturm ruft. Vermögen wir nicht unseren eigenen Sturm dem schwarzen Wind entgegenzusetzen? Wind trifft nicht auf Wind, sie könnten sich durchdringen und einander auslöschen...
Für diese Gedanken und ihre Umsetzung möchte ich Ianadils Hilfe in Anspruch nehmen. Jemanden meines Volkes werde ich kaum zu der Reise bewegen können, wir verlassen unsere Küsten und das Meer nur selten.
Itheldils Traumwarnung
Obwohl dies ein sehr persönlicher Traum war, möchte ich ihn in Teilen, ohne Details, niederlegen. Dieser Traum nährt meine Hoffnung, daß Mîr-en-feá noch lebt. Ich teile diese Bilder mit Lavariel, mit dem ich gemeinsam das Schwert gegen Itheldil erhoben hatte, um ihn zu töten. Ich bezweifel unser Urteil weiterhin nicht, denn er ist der Verräter, für den wir ihn nach allen Indizien hielten. Daß ich jedoch nie daran dachte, Itheldil durch die Kraft seiner Familie - Gwirithien ist sein Bruder - zur Umkehr zu bewegen und sein Herz der Gemeinschaft zu öffnen, stimmt mich nachdenklich und traurig und dies war letztlich der Grund, warum ich in diesem Frühjahr in den Lorinan zurückkehrte.
Itheldil droht, Lavariel zu seinem Diener zu machen und mich - heimtückisch - zu töten. Sein Wesen ist ganz Haß. Es gibt wenige, denen die Details dieses Traumes bekannt sind und ich respektiere deine Entscheidung, Lavariel, und werde einstweilen über den Rest schweigen. Ich werde die Details nicht vergessen und wer immer sie zu hören verlangt, dem mag ich Einblick gewähren.
Dieser Traum brachte für mich die Gewißheit: ich werde Itheldils Rache nicht entfliehen, wenn ich den Lorinan verlasse. Er bzw. die Fee, dessen Spielzeug er ist, wird mich überall zu finden wissen, und sei es nur in Träumen.
Noaphrelils Tod
Der Tod der Nymphe wurde mir ebenfalls über einen Traum zu teil. Ich weiß, daß Tirindari diesen Traum mit mir teilte.
Vor zweihundert Jahren soll es gewesen sein, und Cuthalion konnte das bestätigen, was ich sah, daß Itheldil in die Nymphe Noaphrelil verliebt war. Sie schenkt ihm eine Haarlocke, Itheldil ist glücklich.
Die Nymphe wartet auf Itheldil eines Abends, als Cuthalions Pfeil sie tötet. Es heißt, sie habe die Pforte für die Feen geöffnet und damit den Krieg mit den Feen erst ermöglicht, in dessen Verlauf die Frau Cîrnallans getötet wurde. Ob dies der Wahrheit entspricht, vermag ich nicht zu sagen, und vielleicht ist es sehr leichtgläubig, sich in diesem Belang auf das Wort Cuthalions zu verlassen. Auch hier hoffe ich auf das Gespräch mit Cîrnallan.
(Das Gespräch bestätigt den Traum und Cuthalions Wort. Er handelte damals auf Geheiß seines eigenen Herzens, um die Königin des Lorinan zu rächen.)
Als Itheldil erscheint, findet er nur noch die Sterbende.
Zeit vergeht, und die weibliche Stimme aus ihrer Gestalt spricht: „Ich bin nicht sie. Entschuldige, daß ich dich an unserem Leid teilhaben lasse. Bewahre ihn. Bringe ihn zu mir zurück.“
Wer spricht? Vieles bleibt hier ein Rätsel.
Traum von Ianadil
Ich erfuhr, daß Gondolin einen Traum von Ianadil hatte. Wieviel er mir berichtete von dem, was er sah, mag ich nicht zu sagen, ich berichte nur, was er mir mitteilte. Und davon habe ich schon so viel wieder vergessen...
Er sah, wie Ianadil von der dunklen Fee mittels Musik verführt werden sollte, den Blick von ihr abwendete, um möglichst keinen Blickkontakt herzustellen und einer Beherrschung zu entgehen.
Der Brief von Gondolin ist eingetroffen, seine Worte sind darin zu finden. Welche Verknüpfungen gibt es zwischen Ianadil und Ithrathiel?
Das Artefakt
Vier Zeichen sind auf dem runden Stein angebracht, in dessen Mitte sich ein winziger Obelisk erhebt. An zweien der Zeichen befanden sich Einkerbungen, gegenüberliegend, die bunte Steine enthielten. Eines der Zeichen ist relativ simpel gehalten gewesen und könnte für ein Element stehen (nach längerer Recherche: es wäre ein Zeichen für Eis), die übrigen lösten keine Assoziation bei mir aus. Ihre Anzahl ließ mich allerdings bereits an die vier Feenhöfe denken, mit dem Eis würde das vielleicht sogar ein wenig Sinn machen: schließlich war eine der Feen ein Eiswesen, der kalte Stein.. Es heißt, die Menschen hätten vor langer Zeit (?) dieses Artefakt geschaffen.
Musik
Die Kraft der Musik ist ein wiederkehrendes Motiv innerhalb dieser Aufzeichnungen geworden. Auf der einen Seite steht die Musik der Dunklen Fee, die unseren Geist zerstört und unser Herz zerfrißt, wie in verschiedenen Träumen geschehen. Sie habe unser letztes Lied schon gespielt, sie will Ianadil mit Flötentönen verführen, sie quält einige von uns mit dem Klang ihrer Flöte... Das ist kein Zufall! Ihre Flöte ist als Instrument eine Verkörperung des Schwarzen Windes, so denke ich nun. Ithrathiel zu schwächen mag bedeuten, ihre Flöte zu zerstören.
Ich habe einmal davon gehört, daß Satyre durch Musik zu beeinflussen sind. Gilt das für alle Feenwesen? Arrasil fiel in tiefe, angenehme Träume, als ich auf der Flöte spielte.
Ianadil konnte mit seinem eigenen Lied und der Flöte einer Dryade zurückgeholt werden.
Vielleicht liegen meine Gedanken nicht so falsch, aber wer wird mit mir gemeinsam singen und musizieren, um unser Licht der Finsternis entgegenzustellen? Cervethwen hätte die Stimme...
[Dieser Beitrag wurde am 31.05.2007 - 23:01 von Nerdanel aktualisiert]
Nerdanel blickte wieder auf die Worte, die sie niedergelegt hatte.
Viel zu viele Fragen blieben offen, die ihr Herz in Aufruhr hielten.
Darum begann sie - auch wenn es ihre Geduld auf eine schwierige Probe stellte - Abschriften anzufertigen und Briefe zu verfassen: Tirindari und Corvannen würde die Nachricht gemeinsam erreichen, Tilion und Glîr-en-fea ebenso, mit Lavariel würde sie hier sprechen können, vielleicht auch mit Gwirithien. An Gondolin würde sie die Bitte senden, ihr seinen Traum genauer zu schildern. Es gab so viele...
Als sie von der Reise zum Meer zurückgekehrt war, erwarteten sie einige Antworten auf ihre Briefe.
Sie nahm sich viel Zeit, sie zu lesen und begann dann erneut, ihre Aufzeichnungen zu korrigieren. Auch das Gespräch mit Cîrnallan würde sie versuchen zu erinnern und seinen Rat.
Sie überlegte eine Weile, bevor sie sich entschloß, keinen Bericht zu verfassen, sondern ihre Gefühle und Gedanken hier und jetzt durch die Tinte auf das Papier fließen zu lassen. Furcht sät der Rat Cîrnallans in mir.
Meinem Ansinnen, eine Melodie gegen Ithrathiel zu finden, scheint nur dann Erfolg beschieden zu sein, wenn es mir gelingt, meine Sturmsänger-Seele in ein Stilles Meer zu wandeln. Ich weiß, daß meine Musik mich sehr weit forttragen kann, so daß ich in der Musik selbst diesen Zustand der Ruhe erlangen kann, indem es nichts mehr gibt außer dem Klang. Darin werde ich mich üben, das Stille Meer in mir mit den ersten Tönen der Melodie heraufsteigen zu lassen. Mehr Ruhe wird es in mir, dem Kind des launischen Meeres, niemals geben.
Ich habe vieles erfahren, als wir miteinander sprachen.
Cuthalion ist einer der Alten, von denen nur Cîrnallan selbst die Herkunft kennt. Noaphrelil wurde nicht auf Cîrnallans Geheiß, sondern nach dem Ratschluß Cuthalions allein getötet, für den Verrat bestraft, durch den die Herrscherin der Lorinan gestorben war.
Wie der Krieg damals entstand: Nechtull verbrachte eine Zeit lang bei den Druiden des Lorinan und er lernte vieles. [hier läßt mich mein Gedächtnis im Stich. Ich meine, er strebte nach der Macht über die Lebenslinien, die den Lorinan durchziehen.] Dies ist der Grund, warum derjenige, wer auch immer es sagte, Recht hatte: die Feen werden zum Teil über die Kräfte der Druiden gebieten!
Was für mich bis zu diesem Tag nur ein Name einer Dunklen Fee gewesen war, hat neue Substanz bekommen: Malfeas ist der Schwarze Wind.
Cîrnallans Worte klingen wie ein düsterer Traum. Es erscheint unausweichlich, das Ende...
Nerdanel dachte zurück an die Begegnung. Seine Trauer hatte ihn für einen Moment nahbarer erscheinen lassen, doch im Grunde blieb der alte Elb wie ein Fels.
Wen würde sie noch nach der Natur der Feen fragen können? Der Druide hatte von Calenlyra gesprochen, daß sie die Antwort kennen würde, warum Malfeas damals Arien entführt hatte. Und ein weiteres Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf: Shiban. Die Elfe war Gefangene der Feen gewesen, doch schien ihr heiteres Wesen sie schnell von den Erfahrungen dort in der anderen Welt geheilt zu haben. Nerdanel hätte sie nie gefragt, was dort vor sich ging, zu persönlich erschien ihr dieser Schmerz und zu gering ihre Verbundenheit. Doch jetzt konnte ihr Wissen für sie alle Hoffnung bedeuten. Sie würde den Brief um Lavariels und ihrer Sorge Willen verfassen, aus Unkenntnis ins Verderben zu gehen.
[Dieser Beitrag wurde am 05.06.2007 - 11:26 von Nerdanel aktualisiert]
Nerdanel erinnerte sich noch gut an die Zeilen, die sie Tilion und Glîr-en-fea schickte, der erste Brief, den sie in ihrer Suche nach dem verstreuten Wissen ihrer ehemaligen Gefährten verfaßt hatte.
"Suilon le, Tilion Schattenstreif,
zu lange ist es her, daß wir uns im Hause Caragonds trafen und gemeinsam speisten. Ich erinnere mich mit Freude an dein Zusammensein mit Tirindari. Ein Jahr ist es her, daß euch schönes und trauriges im Lorinan wiederfuhr.
Von dort sende ich diese Zeilen, denn für die Zeit, die da kommt werde ich im Lorinan verbleiben. So werden wir uns nicht im Torweg der vielen Stimmen wiedersehen.
Alle Zeichen künden vom kommenden Sturm. Nechtul wird kommen und dieses Land mit Krieg überziehen. Ich habe es mir bis dahin zur Aufgabe gemacht, über eine Waffe gegen die Feen zu sinnen und alles Wissen über sie zu sammeln und zu verbreiten, dessen ich habhaft werden kann. So vieles ist geschehen, was in den kommenden Tagen von Bedeutung sein könnte, und denen, die sich entscheiden hier zu kämpfen, eine Entscheidung aufgrund von Wissen ermöglichen kann.
Darum wende ich mich an dich und Glîr-en-fea in der Hoffnung, ihr möget meine Zeilen lesen und insbesondere die tragischen Verwicklungen und Ereignisse um Arien mit mehr Licht versehen. Selbst wenn ihr nicht in kommenden Tagen hier sein sollte, könnte euer Wissen uns zum Vorteil gereichen.
Ich bitte euch, verzweifelt nicht angesichts der Nachricht, daß Mîr-en-fea den Tod gefunden haben soll. Ich habe einen schwachen Grund zur Hoffnung, daß sie noch lebt! In einem Traum, in dem Itheldil seine Rache verkündete, sprach er davon, daß er Mîr-en-fea zu sich geholt habe, nicht daß er sie getötet habe. Ihr werdet euch selbst daran erinnern, daß Itheldil durch einen Teich in die Feenwelt verschwand, daß er an diesen Orten Kontakt mit den Feen aufzunehmen pflegte. Warum sollte es daher nicht auch Mîr-en-fea gelungen sein, ein Tor in die andere Welt zu öffnen?
Meine Worte beinhalten keinen Trost, denn ich beginne zu ermessen, welch grausiges Leben sie auf der anderen Seite erwarten mag.
No aear râd lin ar no gwaew govadas lin. Möge das Meer dir ein Weg und der Wind dein Gefährte sein.
Nerdanel athranor-dalath-i-myth"
Neben diesem Brief befinden sich noch einige dicht beschriebene Seiten in der Hülle, der erste Entwurf der Jüngeren Chronik.
Seine Antwort hält sie nun in den Händen und sie versetzt sie immer wieder zurück in die vergangenen Sommer. Die Schrift auf dem Segeltuch ist eckig, doch gut zu lesen. Die Kraft der Worte und der Erinnerung wiegt schwer, beim Leser wie beim Schreiber.
"Sanyasala Nerdanel!
Euer Brief hat mich erreicht und ich habe mit Interesse so einiges gelesen, welches sowohl interessant und erschreckend (weil ich es noch nicht wusste) als auch nicht ganz richtig ist. Am Besten beginne ich damit, die Ereignisse aus meinen Blickwinkel zu beschreiben:
Als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal den Lorinan betrat tat ich dies in der Begleitung einer Elfe namens Myrillia. Myrillia hatte schweren seelischen Schaden genommen durch ein Seelenband mit einer dunklen Wesenheit. Ich bracht Myrillia nach Lorinan, da sie diesen Ort erwähnte und sich erhoffte, der Fürst des Waldes wäre mächtig genug, dieses Band zu lösen. Zu unserem Glück war er das auch!
Die Ereignisse überschlugen sich bald, noch bevor Myrillia aus ihrem Dämmerschlaf erwachte. Ich geriet in den Strudel der Ereignisse um die Räubertruppe des Schwarzes Keilers, welches irgendein feeisches Artefakt besaß - ein Amulet - welches ihn große Kräfte verlieh und ihn wahnsinnig machte. Darüber hinaus prallten wir ständig mit den Erdfeen (heute weiß ich es besser, denn es sind Dämmerlichter) aneinander - vor allem als wir es endlich schafften, den Keiler zu besiegen und das Amulett zurück zu erobern. Die Feen holten sich das Artefakt zurück (sie wurden von einem Nachtmahr angeführt). Viele der unseren, ob Mensch ob Elb, lag verwundet am Boden. Unsere Waffen wären nicht sehr effektiv gegen die Erdfeen gewesen. Ich bestah ein Irrlicht mit einem Edelstein, welches mir verriet, dass man mit einer geweihten Waffe auf das Dämmerlicht schlagen musse, wenn diese ihren Erdpanzer verlieren, dann könne man die Fee vernichten oder zumindest in die Anderswelt zurück schicken. Leider machte ich den Fehler, eine Priesterin der Freya zu bitten, meine Waffe zu segnen. Mir wurde auferlegt, ein Opfer der Wollust zu bringen und ein Kind in Freyas Namen zu zeugen. Ich hatte eine Stunde Zeit dazu, bevor mein Trieb die Kontrolle über mich erlangt hätte. Ich wollte mir lieber eine Elbe als mögliche Partnerin währlen, da die Elben meiner Heimat in der Lage sind, bewußt zu entscheiden, ob sie ein Kind empfangen oder nicht. Ich wollte keinen weiteren Bastard zeugen, der vielleicht dasselbe Schicksal durchmachen muss, wie ich einst! Und so kam es, dass ich vor Glîr-en-fea stand - vermessen und verschüchtert mein Anliegen äußerte und sie zu meinem Erstaunen zustimmte. Glîr-en-fea, liebe Nerdanel ist die Mutter Ariens, sie ist die ältere Schwester Mîr-en-feas (die große Mutter möge sie behüten), sie ist eine Magietänzerin aus Ardh-Rhûn und ein Nebel zwischen den Welten. Vieles an Glîrs Magie ist feeisch, aber sie ist keine Fee! Es waren auch keine Feen anwesend in dieser Nacht im Lorinan. Komischerweise war alles sehr friedlich gewesen.
Am Tag darauf wollten wir zum Feenkreis aufbrechen und das Amulett aus den Klauen des Nachtmahrs reissen. Es gelang. Als wir zum Lager zurück kehrten, nahm mich Glîr-en-fea zur Seite und teilte mir mit, dass die Nacht Folgen hatte. Wir saßen unter dem Windbaum, ich sah in ihre Augen und ich wusste, dass ich mein Kind nicht einfach bei der Mutter lassen und verschwinden konnte. Mehr noch: ich hatte mich verliebt. Genau im Moment dieser Erkenntnis gab es eine grausige Explosion, als ein menschlicher Magier das Amulett und dabei auch sich selbst zerstörte.
Lange konnte ich jedoch nicht im Lorinan verweilen, denn ich wollte meinen Vater stellen. Ein halbes Jahr später erfuhr ich, dass er Tod war. Ich traf kurz darauf Ianadil wieder, welcher mich daran erinnerte, dass Glî-en-fea auf mich wartete. Ich kehrte also zum Fest der fallenden Blätter zurück. Es geschahen einige äußerlich kleine Dinge: Nachtfeen tauchten auf und Ianadil schien immer mehr gewalttätiger zu werden. Beim Ritual der Erde setzte der Dryad eine Schockwelle frei, die sogar Cîrnallan stutzig machte.
Im langen kalten Winter danach wurde Arien geboren. Seltsame Stimmen waren im Wind zu diesem Zeitpunkt. Ich hatte sogar gedacht, Gelächter zu hören. Zu diesem Zeitpunkt bot ich mich auch als Tirmé an. Lorinan brauchte jeden Schwertarm.
Im Frühling darauf kam es zu der Entführung. Über das Motiv Malfeas' kann ich nur spekulieren. Vielleicht war er einfach darauf versessen, ein Kind der Elben zu korrumpieren. Arien war jedenfalls nicht in einem Spiegel eingesperrt gewesen! Sie lag als grausam verzerrtes Wesen in einer abscheulichen Parodie einer Wiege im Spiegelsaal. Ohne die Lichtfee wären wir da niemals wieder herausgekommen.
Ich weiß nur eines: Malfeas war wütend auf uns. Er hatte Arien durch einen Wechselbald ersetzt. Als wir das Feenkind durch den Kreis schickten, wurde er wütend. Für ihn muss das wohl einen Vertragsbruch dargestellt haben. Zumindest betrachtete er Arien als sein eigen.
Als wir unser Kind wieder in unseren Händen hielten, flohen Glîr und ich nach Ardh-Rhûn und dann später in den Eryn Ivren. Wir beide waren ob der Gleichgültigkeit Tiralidhs und Cîrnallans erschüttert, denn sie beiden wollten Arien wirklich opfern, um den Scheinfrieden mit den Holden zu wahren! Glîr-en-fea ist bis heute tief erschüttert. Ich wage zu bezweifeln, dass sie jemals wieder in den Lorinan zurück kehrt.
Was mich betrifft: ich habe meine Hilfe angeboten. Tiralidh weiß, dass sie mich nur rufen braucht und ich würde zur Hilfe eilen, wenn es zur Schlacht kommt. Ich habe eine Rechnung mit Malfeas offen, die ich gern begleichen möchte. Vielleicht könnt ihr Tiralidh und auch Yaviendil daran erinnern, dass ich mein Tirmé-Gelöbnis noch immer ernst nehme!
Was euer gesammeltes Wissen über Feen betrifft: bedenkt bitte, dass Anderswelt und Dieseits einst viel stärker verbunden waren als heute. Es gibt Feen, die sind Traumgeboren und jene, die stofflich sind und oft Nymphen genannt werden. Ich möchte auch unbedingt davon Abstand nehmen, dass Nymphen keine Macht besitzen! Aber vielleicht gelten für den Lorinan andere Gesetze als im Eryn Ivren. Arien steht unter dem Schutz der ältesten Nymphe Eryn Ivrens und ist somit ausserhalb von Malfeas Wirken!
Wir befinden uns auf dem Weg zum Fennas é lamath. Solltet ihr euch auch dorthin begeben, so steht uns genug Zeit zur Verfügung, Informationen auszutauschen!
Gebt auf Euch Acht. Wenn Euch die Träume und Visionen zu sehr plagen, dann kommt in den Eryn Ivren. Dort könntet ihr eine Menge mehr erfahren und vor allem Euch in Sicherheit ausruhen.
Tilion Schattenstreif"
Heulende Stimmen im Wind in der Nacht von Ariens Geburt.. Nerdanel schloß für einen Moment schaudernd die Augen: die Spuren Malfeas, des Schwarzen Windes, Herr des Wahnsinns, waren überdeutlich.
Einige Tage später erreicht ein Rabe Nerdanel tief in den Wäldern Lorinans, welcher ein zusammengerolltes Blatt im Schnabel trägt. Mit klugen Augen schaut er sie an und lässt das Blatt in ihren Schoß fallen. Als sie es entrollt, steht da mit menschlicher Sprache geschrieben:
"Verehrte Nerdanel!
Mit großem Bedauern musste ich feststellen, dass Ihr nicht dem Ruf der Altvorderen folgen konntet. Bedauerlich umso mehr, als dass mir ein seltsamer Umstand wieder ins Gedächtnis fiel. Es war ein seltsamer Traum, welchen ich am Morgen nach jener Nacht hatte, als Glîr-en-fea und ich beieinander lagen: Es war ein erregender Traum. Lauter nackte Körper windend in Extase. Zum Teil auch in Agonie. Das alles war in einer riesigen Höhle aus aschwarzem Gestein. Etwas hat mich beobachtet. Eine Präsenz. Cîrnallan meinte, ich hätte in diesem Traum einen Blick in die Domäne des Satyr Nechtul geschaut. Warum ich den Traum vergessen hatte und er mir erst jetzt wieder einfällt, weiß ich nicht.
Ich hoffe, es hilft euch weiter.
Tirindari hat auf mich eingeredet und von dem bevorstehenden Konflikt erzählt. Es zerreißt mir das Herz, doch ich werde nicht kommen können. Zum einen die Haltung der Herrschenden, zum anderen ist das Fest Ivreas nahe. Die Nymphe ist die Einzige, welche die Sicherheit meines Kindes garantieren kann und das hat für mich die größte Wichtigkeit, so egoistisch das klingen mag. Ich wünsche Euch alles erdenklich Gute und bete zu Gaja, dass ihr es schafft, Nechtul in seine Schranken zu weisen.
Grüßt bitte Yaviendil von mir!
Tilion"
Der Bitte Tilions wird Nerdanel nur zu gern entsprechen. Wenn sie das nächste Mal mit Yaviendil zusammentrifft, wird sie die Grüße überbringen und auch von gegebenen Versprechen reden.
Nerdanel erinnerte sich, daß Gondolin ein großer Traum zu teil wurde, ein Traum, in dem er von Cîrnallan selbst geführt oder doch durch den höchsten Druiden geleitet wurde.
Tatsächlich erreicht sie folgende Antwort:
Verehrte Freundin
Ich hoffe diese Worte erreichen Dich rechtzeitig, und tragen dazu bei die Geschehnisse im VielTraumWald besser zu verstehen. Ich gebe Dir recht, nur wenn wir unser Wissen und unsere Stärke in den da kommenden Konflikten vereinen, mag es uns gelingen der Dunkelheit Einhalt zu gebieten, die das Licht des Waldes überschattet.
Das Ritual von dem ich berichten möchte diente dazu, einen gemeinsamen Traum herbeizuführen, um neue Erkenntnisse über die bedrohlichen Ereignisse zu gewinnen. Wir waren zu dritt, Cirnallan eingeschlossen, der uns dabei anleitete, die Grenze in das Reich der Träume zu überwinden. Leider muss ich gestehen dass mich die Intensität und Länge des Traums so sehr in seinen Bann gezogen hat, dass einige entscheidende Details im Nachhinein etwas verzerrt erscheinen. Ich will versuchen die einzelnen Etappen des Traums richtig wiederzugeben, kann aber nicht ausschließen einige Orte, Zeiten oder gar Personen durcheinanderzubringen oder auszulassen. Vielleicht kann von den anderen Träumenden noch etwas mehr Klarheit geschaffen werden.
Im Traum sahen wir Ianadil, der auf dem Weg zum Nymphenteich durch die Wälder Lorinans schritt. Sein Weg führte ihn vorbei an dem Feenkreis. Im Vorbeigehen bemerkte er etwas seltsames am Feenkreis, das er zunächst nicht ganz zuordnen konnte, und beschloss seine Reise zu unterbrechen und dort nach dem Rechten zu sehen. Zunächst war es wohl nur ein Geräusch, eine Ahnung. Wenn ich mich recht entsinne überzog sich der Boden mit Frost oder mit Fäulniss, Ianadil spürte eine machtvolle, dunkle Kraft, und der Verdacht verdichtete sich rasch zu der Gewissheit, dass etwas bedrohliches dort anwesend war. Dies gipfelte dies darin dass eine dunkle Frauengestalt erschien. Die Gestalt, bei der es sich meiner Einschätzung um die dunkle Fee handelte der wir an jenem Abend begegneten, hatte eine mächtige, bedrohliche Ausstrahlung. Doch war sie auch von einer betörenden, düsteren Schönheit. Sie verhöhnte Ianadil und versuchte, ihn mit ihrer Weiblichkeit zu verführen, der ihren Versuchen nur mit Mühe widerstand. Schließlich setzte sich Ianadil zur Wehr, und es gelang ihm die Frauengestalt zu vertreiben. Es gab noch einige Details die ich nicht mehr im Detail wiederzugeben vermag. Es wurde deutlich dass zumindest dieser Teil des Traums geraume Zeit in der Vergangenheit stattgefunden haben dürfte, als der Wald noch stark und gesund war und der Feenkreis noch intakt.
Der Übergang des ersten Teils des Traums zum zweiten ist verschwommen. Es mag sein dass Ianadil einfach seine Reise zum Nymphenteich fortsetzte und schließlich dort angelangte, es mag sich auch um eine völlig andere Zeit handeln. Was Ianadil eigentlich am Teich suchte ist mir ebenfalls nicht ganz klar. Zumindest erreichte er den Nymphenteich und traf dort erneut auf eine dunkle Gestalt, vermutlich auf dieselbe dunkle Fee, doch gab mir der Traum in dieser Hinsicht keine absolute Gewissheit.
Am Nymphenteich kam es zu einer mentalen Auseinandersetzung, die Fee versuchte Ianadil in ihren Bann zu ziehen. Da Ianadil ihrem durchdringenden Blick offenbar nicht gewachsen war, verschloss er seine Augen, um der Bedrohung zu entgehen. Doch konnte er zwar seine Augen, nicht aber seine Ohren verschließen. Die Fee spielte auf einer Flöte, welche sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, eine wunderschöne und zugleich grausame, irgendwie FALSCHE Melodie, die Ianadil in irgendeiner Form zusetzte, ihn zu zerstören drohte. Vieles was ich aus diesem Teil des Traums in Bezug auf das Auftreten der dunklen Fee in Erinnerung behalten habe, ähnelt Deiner eigenen Schilderung zum Traum von Ithrathiels Geburt. Ich vermute insofern es handelte sich auch hier um Ithrathiel, die einige Zeit nach ihrer Geburt auf Ianadil stieß.
Im letzten Teil des Traums eilte dem durch das Flötenspiel geschwächten Ianadil ein befreundeter Druide zu Hilfe. Er half dem Verletzten, indem er ihn zu einem alten, freundlichen Baum trug, der Ianadil sehr wichtig und vertraut zu sein schien. Ich gehe davon aus dass sich die Ereignisse zu einer Zeit ereigneten, als der Dryaden-Baum Ianadils noch lebte und dass es sich um eben diesen Baum handelte, zu dem Ianadil gebracht wurde und an dem er Zuflucht vor dem Flötenspiel der Fee fand.
Wie Du siehst sind die Erinnerungen unvollständig und zum Teil uneindeutig... im Nachhinein wünschte ich mir den Traum niedergeschrieben oder zumindest eingehender diskutiert zu haben. Ich frage mich, ob die zeitliche Einordnung, die sich aus meiner Deutung des Traums ergibt, mit den bekannten Ereignissen in Einklang steht: Demnach wäre beispielsweise der Baum Ianadils erst nach der Geburt der dunklen Fee gestorben, was die Vermutung nahelegt dass der Tod des Baumes mit diesen Ereignissen in direktem Zusammenhang stehen könnte... vielleicht weißt Du mehr über das Ende des Baumes und die daraus resultierende Bindung Ianadils an den VielTraumWald?
Möge Dein Weg von Licht erstrahlt sein
Gondolin
Wann wurde Ithrathiel geboren? Vor einem oder vor zwei Jahren? War es das, was Bonames damals an den Teichen beobachten konnte?
Nerdanel überkam das Gefühl, sehr viele Teile eines zersplitterten Bildes zu besitzen, aber sie nicht zusammensetzen zu können, da sie nicht erahnen konnte, wie das Ganze aussehen sollte.
Endlich hatte sie die Ruhe gefunden, ihre eigenen Schriften noch einmal genau zu lesen. Zwei Traumberichte fesselten sie besonders und ließen ihre Gedanken fließen.
Diese Stimme, die sie am Ende des Traumes von Noaphrelils Tod vernommen hatte, den sie mit Tirindari teilte... was wäre, wenn es Noaphrelils Stimme war?
Cuthalion tötete ihre fleischliche Hülle, aber sie war als Nymphe ein Feenwesen, ein Wesen der Magie, eine Wassergewebte Fee? Dann könnten die rätselhaften Worte, die Nerdanel noch einmal las::
"Ich bin nicht sie. Entschuldige, daß ich dich an unserem Leid teilhaben lasse. Bewahre ihn. Bringe ihn zu mir zurück."
in etwa übersetzt werden mit:
"Ich bin nicht Ithrathiel, die jetzt an Itheldils Seite steht." In der Bezeichnung "unserem Leid" lag der Schlüssel zu ihrer Vermutung. "Bewahre Itheldil. Bringe ihn zu mir, seiner Liebe, zurück."
Sollte Itheldil an den Ort zurückkehren, an dem sie einst den Tod fand? Sollte sie versuchen, sein Herz wieder aus dem Eis zu lösen, wie sie es sich vorgenommen hatte?
Aber hatten sie diese Worte nicht auch als Hilferuf für Ianadil damals gedeutet? Doch diese Interpretation machte weniger Sinn...
Wenn sie dagegen an all die anderen Indizien dachte: Angus hatte nicht als einziger eine weibliche Stimme an den Teichen gehört, Noaphrelils Ort.. Und sie, Nerdanel, hatte die falsche Frage an die Wasser gestellt: es war nicht Ithrathiel, die Dunkle Fee, nach der sie suchen mußte, es waren die Erinnerungen Noaphrelils, die von Bedeutung sein würden! Konnte die Nymphe in den Wassern der Teiche noch immer eine Präsenz haben?
Es lag zu viel Sinn in ihren Gedanken, zu viele kleine Stücke paßten zueinander, als daß sie sie verwerfen konnte... Rasch notierte sie den Gedanken.
Wieviel mehr würden die Aufzeichnungen ihr noch an vermeintlichen oder wahren Zusammenhängen erklären können?
Sie dachte über Ianadils Erzählung aus den Tagen seiner Gefangenschaft nach und begann, diese in ihre eigenen Worte zu übertragen.
Lange hatte sie nachgedacht, was Iánadil über seine Gefangenschaft bei Nechtul zu berichten bereit gewesen war. Es gab so viel darin, was sie nicht verstand, denn die Wege der Druiden waren ihr fremd und seltsam.
Nun begann sie langsam, Worte auf eine neue Seite zusammenzufügen:
Dies geschah während Ianadils Gefangenschaft auf der Feenseite dieser Welt. Er berichtete mir davon und ich vermag nicht alle Einzelheiten zurückzuholen. Jedoch hoffe ich, daß mein Geist tatsächlich die wichtigen Teile zu behalten in der Lage war, auch wenn alles daran Schmerz und Wut und Verzweiflung ist.
Itheldil sprach mit Iánadil:
Tor im Lorinan geschlossen (Ianadil soll dies bewirkt haben, als er hindurchschritt), der Anker gerichtet auf die Feenwelt besteht aber noch immer
Ianadil opferte sein Druidentum, um das Tor zu schließen?, nein, um die Feenwelt überhaupt betreten zu können. Er opferte seine Verbindung zum Lorinan, die etwas zweites eigenständiges zu sein scheint, etwas was Nechtul übernehmen will.
Ianadils Gefangenschaft erleichtert Nechtuls Vorhaben, ein neues Tor zu öffnen.
Nechtul sprach:
Nechtul hat etwas vorbereitet, um Ianadils Bindung an den Lorinan zu übernehmen.
Itheldil soll eine Kraft für Nechtul entfesseln, die Weihe der Druiden ungeschehen machen (damit Nechtul der Linien habhaft werden kann!?)
Nur Nechtul und Ianadil (?) wissen um das Geheimnis, wie die Kraft der Lebenslinien in magische Macht umzuwandeln und zu nutzen ist. (Wir dürfen nicht an den Linien gegen Nechtul kämpfen! Es kann sein, daß Ianadil nicht mehr darauf zugreifen kann!)
Ianadil wird für ein vorbereitendes Ritual mißbraucht, aus dem später das Tor zwischen den Welten erwachsen soll.(Ist Ianadil der Anker in unserer Welt? Wer ist der verbleibende Anker, der selbst zu dem Zeitpunkt, als das Tor geschlossen wird, noch existiert? Meine Gedanken gingen in die Richtung, daß Itheldil und Ianadil die Ankerpunkte für das Tor sein könnten. Was dagegenspricht, ist, daß der Anker auf Seiten des Lorinan bestehen bleibt, auch als Ianadil auf die Feenseite wechselt. Ist es immer noch Noaphrelil, die schon vor zweihundert Jahren das Tor von dieser Seite öffnete?
So viele Fragen, dachte die Elbe, während sie auf die Worte starrte und neue Bedeutungen in ihren Geist strömen ließ. Zu viele Fragen, entschied sie, nahm das Büchlein und machte sich auf die Suche nach Iánadil.