Wiggins Administrator
              

Status: Offline Registriert seit: 25.02.2008 Beiträge: 3752 Nachricht senden | Erstellt am 08.09.2019 - 14:35 |  |
Gestern, am 07. September, war die Premiere des Life-Hörspiels Sherlock, John & Mycroft – Die Memoiren des Sherlock Holmes.
Christoph Tiemann und das Theater Ex Libris präsentierten damit die von manchen bereits heißersehnte Fortsetzung ihres erfolgreichen ersten Teils Die Abenteuer des Sherlock Holmes.
Mir war nicht ganz klar was mich erwartet, als ich mich entschloss ins Auto zu setzen und 2,5 Stunden nach Münster zu fahren. Im Vorfeld hatte ich zwar gehört, dass der erste Teil hervorragend gewesen sein soll, aber auch dass es sich um originale Stücke von Arthur Conan Doyle handelt. Ich dachte also, dass es eine wohl mehr gelungene, als minder begeisternde Lesung mit verteilten Rollen sein würde. Daher fuhr ich zwar mit enthusiastischen, dennoch aber gemischten Gefühlen über die Autobahn.
Als ich ankam, erhielt ich die für mich reservierte wirklich sehr schön gestaltete Eintrittskarte ausgehändigt, die meine Zweifel – ich bin kein besonderer Freund von Lesungen - schon ein Stück weit minimieren ließ. Hier hat sich jemand große Mühe gegeben. Während der Wartezeit auf den Beginn, wurde schon deutlich, dass der ausverkaufte Saal mit einigen Besuchern gefüllt war, die das erste Stück kannten und diesem neuen entgegenfieberten.
Als die Künstler ihre vorbereiteten Plätze einnahmen ging es dann auch los. Christoph Tiemann führte mit einem knappen Vortrag gekonnt in die Thematik ein. Danach erwartete die Zuhörer ein Stück, das mit einer Szene aus Eine Studie in Scharlachrot begann, mit Die tanzenden Männchen fortgesetzt wurde und mit Der zweite Fleck endete.
Nun war es aber definitiv keine Lesung, wie ich erwartet (oder befürchtet?) hatte, sondern ein aus den Fällen bearbeitetes Hörspiel, in das auch Elemente aus anderen Original-Stücken von Doyle einflossen. So wurde z.B. Shinwell Johnson in Der zweite Fleck eingebaut, und liefert dadurch eine glaubwürdige Erklärung auf Watsons Frage, ob es denn tatsächlich eine Liste über in London gerade tätigen feindlichen Spionen gäbe. Eine Frage, die sich mit Sicherheit so mancher Leser des Kanons auch schon gestellt hatte. Die Änderungen sind allesamt äußerst gelungen und machen das Stück deutlich lebendiger, als es die Original-Texte vermuten lassen würden. Das war auch Christoph Tiemanns erklärtes Ziel, wie er mir später erklärte, denn viele Passagen aus dem Kanon – das wird für die Leser dieses Forums nichts neues sein - sind recht statisch und die eigentliche Handlung wird z.B. bei einer Kutschfahrt zwischen Watson und Holmes erzählt, und dann kommen sie auch noch zu spät. Das ist bei dem Stück anders. Ohne an der eigentlichen Handlung etwas zu ändern, wurde aber der Ablauf angepasst und mit sehr passendem Humor ergänzt – was keine Selbstverständlichkeit ist - so dass Holmes und Watson während des Falls anwesend sind und die Zuhörer alles Life erleben können, und nicht nur aus der Perspektive des bereits Geschehenen die Ereignisse erzählt bekommen. Sämtliche Änderungen, Ergänzungen und Anpassungen sind dabei so gelungen, dass sie die anwesenden Sherlockianer – neben mir, waren noch ein paar andere da – zu Begeisterungsstürmen hingerissen haben. In einem Gespräch nach der Veranstaltung waren sich auch alle einig darüber, dass sich so mancher (Hörspiel-)Autor dieses gelungene Stück als Beispiel nehmen sollte. Man merkte es Christoph Tiemann geradezu an, dass er selbst ein Fan des großen Detektivs ist und mit viel Liebe und Sachverstand an die Bearbeitung des Life-Hörspiels herangegangen ist, was sich in einem anschließenden Gespräch bestätigte.
Nun wurde das Life-Hörspiel aber nicht nur mit verteilten Rollen vorgetragen, es wurde geradezu gelebt. Die Darsteller gingen in ihren Rollen auf, ihre Mimik sprach Bände, die Körpersprache zeigte, dass sie die jeweilige Rolle verinnerlicht hatten, ihre passenden viktorianischen Kostüme taten das Ihre dazu. So gut wie jeder der Künstler hatte mehrere Rollen, die zu Gehör gebracht werden mussten. Durch die professionelle Änderung der Stimmlage und Sprechweise war es aber kein Problem, wirklich jede sofort zu erkennen, selbst wenn mitunter – und das war gar nicht zu vermeiden – ein Sprecher gleich direkt hintereinander zwei verschiedene Personen stimmlich Leben einhauchen musste. Die schon angesprochene Körpersprache und die Mimik unterstrichen dabei die ohnehin schon gelungenen Darbietungen.
Zusätzlich wurde das Stück musikalisch untermalt, allerdings nicht durch bloßes Abspielen irgendeiner Konserve, sondern durch einen gelungenen und passenden Soundtrack, der vor Ort eingespielt wird.
Naturgemäß ist es bei einem Hörspiel schwierig, auch den Augen etwas zu tun zu geben. Aber dafür gab es eine Lösung. Per Beamer wurden Bilder an eine große freie Wandfläche geworfen (je nach Möglichkeit der Bühne wird ansonsten eine Leinwand aufgestellt), die allesamt äußerst passend waren. Es waren Bilder von historischen Gebäuden, Straßenfluchten, Landkarten und einigem mehr, die das Vorgetragene unterstrichen. Bei den Deduktionsketten wurden durch nach und nach eingeblendete Gegenstände die einzelnen Schritte gezeigt, damit die Zuhörerschaft folgen konnte; sämtliche Reihen mit den tanzenden Männchen illustrierten perfekt, wie Holmes hinter das Geheimnis des Codes kam. Wie ich später erfahren konnte, wurden viele der Aufnahmen tatsächlich an Originalschauplätzen in England angefertigt. Der Aufwand hat sich eindeutig bezahlt gemacht.
Alle Besucher, mit denen ich während der Pause oder nach der Vorstellung noch ins Gespräch kam, waren vollauf begeistert. Und aus eigenem Erleben kann ich bestätigen, dass sich selbst eine längere Anfahrt für das Erlebnis dieses Life-Hörspiels absolut lohnt.
Es ist eine großartige Erfahrung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Wer vielleicht neugierig geworden ist, kann sich auf der Website des Theater ex libris weiter informieren.
[Dieser Beitrag wurde am 10.09.2019 - 17:43 von Wiggins aktualisiert]
Signatur SHM - Das Sherlock Holmes Magazin: www.deutsches-sherlock-holmes-magazin.de
Alles rund um Sherlock Holmes und seine Welt. 4 x im Jahr auf 32 Seiten. |
Jeremine  Sholto Lestrade
      

Status: Offline Registriert seit: 25.04.2015 Beiträge: 1435 Nachricht senden | Erstellt am 14.04.2020 - 09:18 |  |
Wer hat noch geguckt? 
Allerwichtigste Info zuerst:
"Den Mitschnitt des Streams lassen wir noch eine Weile online:
https://www.facebook.com/270906073104789/videos/528611901392408/"
Falls es jemand gestern Abend nicht geschafft hat. Oder zu spät kam. Oder der Stream zwischendurch ausgesetzt hat.
Außerdem hat das Theater ex libris inzwischen eine Spendenmöglichkeit via Paypal eingerichtet. Ich habe selber leider kein paypal, aber sobald sie wieder spielen dürfen, habe ich es ja nicht so weit. 
Die Weihnachtsfolge sorgte für genau die Heimeligkeit, die man momentan so gut gebrauchen kann, und hatte wieder so einige interessante Änderungen und Ergänzungen im Gepäck.
Der Fall um Abbey Grange wurde auf den 24.12. verlegt und ging natlos in BLUE (am 26.12.) über, da die Countess bereits am Anfang in die Baker Street gekommen war, um sich Holmes' Unterstützung zu sichern, was natürlich nicht geklappt hat, denn der Brief von Hopkins von Abbey Grange war einfach spannender. Sich auszumalen, wie Peterson der Countess of Morcar die gefundene Gans ins Gesicht hält (weil der Flur der Baker Street so eng ist), war sehr erheiternd, zumal die Dame in dieser Umsetzung ähnlich unsympathisch ist wie in der Cushing-Umsetzung.
Watson wurde dieses Mal als Student der holmesianischen Methoden vorgestellt und durfte bemerken: "Ist ein Karfunkel nicht rot, Holmes?" 
Außerdem war ein Gag eingebaut, der mich an die DANC-Umsetzung erinnerte, und Watson, der um das Weihnachtsessen von Mrs. Hudson gebracht wird, weil Holmes unbedingt in der Nähe von Abbey Grange übernachten will, war auch herrlich. Grandios auch die Idee, James Ryder und Brekenridge vom selben Sprecher lesen zu lassen.
Inwiefern die Geschichten geändert wurden, will ich jetzt eigentlich nicht verraten, schließlich sollt ihr möglichst neugierig bleiben, falls das Theater ex libris, wenn das alles ausgestanden ist, mal in eurer Nähe spielen sollte.
Sehr gefreut habe ich mich über die Erwähnung des Interviews mit Herrn Tiemann im Rahmen des "Dr. Doyle & Mr. Holmes"-Podcasts. Während des Livestreams gab es immer wieder Einblendungen über die Sprecher, den Musiker (schade, dass man die musikalische und Geräusch-Untermalung nicht so gut gehört hat wie die Dialoge) oder die dargebotene Bearbeitung, und einmal wurde ein Hinweis auf das Interview eingeblendet samt Internetadresse.
Frage an die, die gestern auch geguckt haben:
Abgesehen von ABBE und BLUE habe ich noch Versatzstücke aus THOR und DEVI erkannt, aber ich komme nicht darauf, welche Stelle über Holmes seltsame Angewohnheiten eingebaut wurde bzw. wo sie her ist. Ich dachte zunächst an den Anfang von MUSG, das war es aber nicht. Hat irgendjemand eine Idee?
Signatur "(...) and so I say again that we have much to hope from the flowers." |