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...   Erstellt am 19.10.2009 - 22:45Zum Seitenanfang Beitrag zitieren Beitrag melden 


Der Modernismus ist eine Richtung der kath. Theologie u. Philosophie, die die kath. Kirche modernisieren, d. h. der neuen Zeit u. ihrer Denkweise anpassen wollte — der Name Modernismus wurde z. Zt. Pius' X. geprägt. Der Papst brandmarkte diese Bewegung 1907 als das „Sammelbecken aller Häresien". Gegenüber den Errungenschaften der modernen Wissenschaft waren die Anhänger des Modernismus wie vom Schwindel befallen u. strebten nach einer Anpassung, die einer Preisgabe gleichkam. Um die kirchlichen Glaubens- u. Sittenlehre mit der heutigen Welt zu versöhnen, müsse man Zugeständnisse machen.

Der Modernismus hat seine Wurzeln in drei Grundgedanken der Wissenschaft des 19. Jh.:
1 Philosophie der Aufklärung: es gebe keine an sich gültige Wahrheitserkenntnis.
2. Geschichtsauffassung des Evolutionismus (Darwin, Spencer): es gebe kein bestehendes Sein, nur ein Werden.
3. Protestantische Lehre von der „Gefühlsreligion" (Schleiermacher, Harnack): Religion sei keine wirkliche Verbindung mit dem wirklichen Gott, sondern nur ein seelisches Gefühl oder Erlebnis innerhalb des Menschen. Entsprechend diesen modernen wissenschaftlichen Anschauungen suchte der Modernismus nun auch die christliche Religion neu zu begründen oder darzustellen.

Lehren des Modernismus: Offenbarung ist kein Sprechen Gottes, auch nicht in der Person Jesu. Ein Mensch wird innerlich von der Gottheit berührt; sobald er sich dessen bewusst wird, hat er das Erlebnis des „Glaubens". Dieser ist kein Fürwahrhalten göttlicher Lehren. Dogmen sind nur Sinnbilder Jenes Erlebens. Sakramente entstehen aus dem Drange des menschlichen Herzens, sein religiöses Erlebnis sinnenhaft einzukleiden; sie haben keinen Wirklichkeitsgehalt. Das kirchliche Lehramt ist das „Organ der Seelen", die so ihre inneren Erfahrungen einander mitteilen; keineswegs Künderin gottgeschenkter Wahrheit. Die Bibel ist eine Sammlung von außergewöhnlichen religiösen Erlebnissen begeisterter Menschen und enthält Irrtümer. Gottes Eingriffe in die Geschichte, besonders Wunder u. Weissagungen sind bloß „verklärte" Berichte über innere Erlebnisse. Der Christus des Glaubens ist verschieden von der geschichtlichen Person Jesu. Glaube u. Wissen sind völlig getrennte Gebiete. In der Religion gibt es keine erkennbare Wahrheit; alle Religionen sind gleich wahr. Damit sind fast alle Grundlagen des kath. Glaubens u. Lebens preisgegeben.

Hauptvertreter des Modernismus waren in Frankreich die Theologieprofessoren A. Loisy u. A. Houtin; in England der Exjesuit G. Tyrell; in Italien die Priester R. Murri, S. Minocchi, U. Fracassini; in Deutschland die Theologieprofessoren J. Schnitzer in München u. H. Koch in Braunsberg. Doch vertraten diese Männer den Modernismus nicht alle in derselben Weise u. bis zu den letzten Folgerungen.

Das Dekret „Lamentabili" vom 3. Juli 1907 verwarf 65 Sätze des Modernismus (beschrieben im LThK Bd. IX, Sp. 923 f). In der Enzyklika Pascendi vom 8. Sept. 1907 traf Pius X. Maßnahmen zur Unterdrückung der Bewegung. Am 1. Sept. 1910 hat der Papst einen Eid angeordnet, den alle kath. Geistlichen ablegen mussten, die in Seelsorge u. Unterricht tätig waren. Dieser sog. Anti-Modernisteneid ist ein feierliches Bekenntnis zu den kath. Grundwahrheiten, zugleich eine klare Absage an die Irrtümer des Modernismus, die im Wortlaut des Eides knapp zusammengefasst sind (Text in dt. Übersetzung bei Neuner-Roos Nr. 64—74). Dadurch sollten geheime Anhänger des Modernismus entlarvt u. aus Lehramt u. Seelsorge entfernt werden, um eine weitere Aushöhlung des kath. Glaubens u. Lebens zu verhindern. Zukünftig hatten alle Kandidaten der höheren Weihen den Eid abzulegen. Pius XI. hat am 14. Mai 1931 den Eid gegen den Modernismus für die Lehrer der kirchlichen Hochschulen u. für die Erlangung der akademischer Grade (Würden) an ihnen vorgeschrieben. In nichtkirchlichen Kreisen erhob sich ein Sturm der Entrüstung gegen diese Maßnahmen des Papstes. Man erblickte vielfach ohne gründliche Prüfung in der Verurteilung des Modernismus eine erneute Kriegserklärung an die moderne Kultur u. Wissenschaft. Innerhalb der Kirche aber weigerten sich nur wenige Geistliche, den Eid abzulegen. Loisy u. Houtin entfernten sich nicht nur von der Kirche, sondern fielen ganz vom Christentum ab. Nachdem die Führer der Bewegung aus dem Lehramt entfernt oder aus der Kirche ausgeschieden waren, flaute der Modernismus bald ab. Vereinzelte Nachwehen sind z. B. die Verurteilung von Schriften der Theologieprofessoren J. Wittig in Breslau (1925), J. Hehn in Würzburg u. besonders des Abbe J. Turmel in Rennes (1930), die Schriften „Der Katholizismus, sein Stirb u. Werde" u. »Der Katholizismus der Zukunft". In etwa kann der „Syllabus" von Pius IX. (1864) als Vorläufer u. die Enzyklika „Humani generis" von Pius XII. (1950) als Weiterführung der Lehräußerungen Pius' X. angesehen werden.

Unter den verfehlten Versuchen der Neuzeit, die kath. Kirche mit den modernen Zeitströmungen zu versöhnen, ist der Modernismus vielleicht der auffälligste, aber wohl nicht der letzte (Reform- u. Kulturkatholizismus). Denn die Zielsetzung des Modernismus war nicht aus Willkür, sondern aus geistigem Streben geboren. Soll die Kirche nicht erstarren in Unfruchtbarkeit, dann muss in ihr das Anliegen eines richtig verstandenen Modernismus stets lebendig sein; jede Zeit hat ihre eigenen Fragestellungen, u. die Errungenschaften der natürlichen Wissenschaften, insbesondere in Philosophie, Natur-Wissenschaft u. Geschichte, sind geeignet, zu einer reicheren u. tieferen Kenntnis auch des Wortes Gottes beizutragen, müssen daher in das kirchl. Lehrgebäude eingebaut werden. Doch sind dabei die feststehenden Wahrheiten des Glaubens unantastbar u. unveränderlich wie jede gesicherte Wahrheit, ebenso die Grundsätze der Sittlichkeit u. die wesentlichen Stücke des kirchl. Gottesdienstes. Aber „der Geist Gottes verjüngt sie (diese Schätze) immer aufs Neue u. teilt seine Jugend auch dem Gefäße mit, das sie enthält" (Irenäus). Außerdem stellte Papst Pius XII. am 17. Sept. 1946 die Forderung auf: „Die Vertreter der Lehre müssen sich in Wort u. Schrift so ausdrücken, dass die Menschen unserer Zeit sie verstehen u. auf sie hören."

Es gibt ein notwendiges Fortschreiten in der Kirche Gottes in immer vollkommenerer Erfassung des Evangeliums. Deshalb war es ein verhängnisvoller Irrtum, wenn die Vertreter des sog. Integralismus — des damaligen Gegenpoles des Modernismus — den Standpunkt vertraten, jegliche Aufnahme neugewonnener Erkenntnisse u. Anpassung an die neuen Verhältnisse sei verdächtig. Solche Ausschreitungen der „Überkirchlichkeit" hat Benedikt XV. am 1. Nov. 1914 in die Schranken gewiesen.





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