Matruese 

Status: Offline Registriert seit: 14.07.2005 Beiträge: 11 Nachricht senden | Erstellt am 15.08.2005 - 20:03 |  |
Leben mit einem Behinderten.
Synonyme: aufhalten, beeinträchtigen, durchsetzen, erschweren, hemmen, hindern, lähmen, stören, verzögern ist Synonym von: abbremsen, abdrosseln, aufhalten, dagegenarbeiten, dämmen, drosseln, entgegenarbeiten, entgegensetzen, entgegenwirken, erschweren, frustrieren, hemmen, hemmen, hinderlich, hindern, lähmen, lahmlegen, lästig, querschießen, sabotieren, stören
Alles Unglück kommt durch den Mund ( Japanisches Sprichwort ).
Behindert klingt so abwertend! Ich meine, sind wir nicht alle irgendwie „behindert“? Durch unsere Komplexe, durch unsere Arbeit, durch welche Umstände auch immer. Das Wort „behindert“ bezeichnet viele Bereiche des Lebens und nicht nur Menschen, die in ihrem Leben körperlich oder geistig eingeschränkt sind.
Viele Menschen sprechen dieses Wort aus, ohne über den wirklichen Sinn nachzudenken. Ich z. B. behindere mich jeden Tag aufs Neue durch meine Hektik und dadurch, dass ich nicht entspannen kann. Werde ich deswegen als Behinderte bezeichnet? Eigentlich ist bisher noch nie jemand auf die Idee gekommen, mich so zu nennen. Warum? Unsere Gesellschaft hat hier feste Normen und Werte erstellt. Dass Menschen aber mit sichtbaren Behinderungen im Leben meist mehr bewerkstelligen müssen als andere, erlebe ich seit 23 Jahren immer wieder aufs Neue.
Seit dieser Zeit bin ich mit einem „behinderten Mann“ verheiratet. Zu Anfang unserer Beziehung (mein Mann konnte zu dieser Zeit noch recht „gut“ gehen), störten mich am meisten diese aufdringlichen Blicke unserer Mitmenschen, wenn wir mit unserem Sohn spazieren gingen. Manchmal konnte ich mir die Frage: „Möchten Sie vielleicht auch noch ein Passbild?“ nicht verkneifen. Doch solche Sätze lernte ich zu verschlucken, weil ich meinen Mann dadurch erst auf diese Blicke aufmerksam machte. Er hatte gelernt, solches zu übersehen. Im alltäglichen Leben sind es aber noch andere Dinge. Als mein Mann nach seinem Herzinfarkt in ein tiefes depressives Loch fiel und keiner ihm heraushelfen konnte, zudem die Gehstörungen immer schlimmer wurden und seine Kraft sich immer mehr reduzierte, beantragte er die Erwerbsunfähigkeits-Rente. Dies wurde ihm auch genehmigt. Dann die dummen Bemerkungen Außenstehender: „Was machst Du jetzt eigentlich den ganzen Tag?“, „Dann hast Du jetzt aber ein schönes Leben!“ „Wer eine arbeitende Frau hat, braucht keinen Job mehr!“ u.s.w. Die machten uns das Leben auch nicht einfacher. Mein Mann bekam immer mehr Depressionen, fühlte sich als Versager, als Hypochonder und konnte sich nicht mehr mit seiner Rolle als „Familienoberhaupt“ identifizieren. Zudem hatte er Angst, dass seine Söhne die Zeichen der Zeit missverstehen könnten. Erst als man beim ihm das Post-Polio-Syndrom diagnostiziert hatte und er sich dadurch seine ganzen Einschränkungen im täglichen Leben erklären konnte, wurde unsere gemeinsame Situation deutliche besser. Durch diese Diagnose waren viele Einschränkungen erklärbar und auch zu verstehen. Er lernte damit umzugehen und manchmal auch dummen Kommentaren Paroli zu bieten. Ich glaube, die meisten „behinderten“ Menschen haben mehr Selbstvertrauen als „Nichtbehinderte“. Dafür und für Ihre Willensstärke, ihr Leben trotz allem, oder gerade deswegen zu leben, bewundere ich sie.
Matruese
[Dieser Beitrag wurde am 15.08.2005 - 20:15 von Loepe aktualisiert]
Signatur Nur der Träumer erreicht seine Ziele!!! |
maxi 

Status: Offline Registriert seit: 11.07.2005 Beiträge: 61 Nachricht senden | Erstellt am 16.08.2005 - 12:32 |  |
Hallo Matruese,
ich finde es ganz toll, wie du mit der Behinderung deines Partners Lothar umgehst. Natürlich haben es nichtbehinderte Ehepartner auch sehr schwer. Vor 32 Jahren heiratete ich auch einen gesunden Mann und was ist passiert: Nach 40 Jahren harter Arbeit als Landschaftsgärtner, als er im Vorruhestand war, bekam er eine seltene Krankheit (progressive Sklerodermie), die ihn 100% schwerbehindert machte, aG, B, H und Pflegestufe II folgten. Du kannst dir vorstellen, dass diese Jahre nicht leicht für uns beide waren. Ein Mann einst mit Bärenkräften, konnte kaum sein Brot mehr schmieren etc., dazu kam, dass er depressive Phasen hatte und ich ihn immer wieder "hochziehen" musste, obwohl es mir manchmal auch beschissen ging. Zu allem Übel hat er vor ein paar Wochen die Diagnose Lungenkrebs erhalten und nach genau vier Wochen hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Du kannst sehen, dass es wirklich jeden treffen kann.
Ich wünsche dir und Lothar noch viele schöne Jahre, genießt sie, solange ihr noch könnt. Wir hatten noch so viel vor und so schnell war es zu Ende.
Liebe Grüsse maxi
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Loepe

Status: Offline Registriert seit: 31.03.2008 Beiträge: 0 Nachricht senden | Erstellt am 16.08.2005 - 12:43 |  |
Hallo Maxi,
vielen Dank für Deinen Bericht und die lieben Wünsche.
Man kann immer leicht was daher sagen, wenn man nicht in der Situtation ist, in der Du gewesen und vermutlich immer noch bist.
Ich wünsche Dir jedenfalls, daß es Dir langfristig gelingt, Dich vor allem darüber zu freuen, daß Du (so vermute ich) viele schöne Jahre mit Deinem Mann hattest, und mit der Zeit immer weniger traurig darüber bist, daß dies nun nicht mehr so ist. In Deinem Herzen wird er ja ohnehin immer bei Dir sein.
Chris und ich werden jedenfalls gerne Deinen Ratschlag annehmen und so lange es geht immer bemüht sein, daß Leben gemeinsam zu genießen, dankbar sein für die Dinge, die wir hatten, haben und noch haben werden, so Gott will, und uns möglichst wenig über die Dinge ärgern, die wir nicht hatten, haben und oder haben werden.
In diesem Sinne
vielen Dank für Deine Mitarbeit im Forum und
ganz liebe Grüße
Lothar
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