JohannesMiesen

Status: Offline Registriert seit: 01.12.2002 Beiträge: 2 Nachricht senden | Erstellt am 03.12.2002 - 23:41 | |
Wenn man sich einen James Bond-Film ansieht, sollte man eigentlich wissen, was man zu erwarten hat. Hübsche Frauen, schnelle Autos und technische Spielzeuge machen den smarten britischen Agenten aus. Das war immer so und das wird sicher auch immer so bleiben. Leider haben sich die Macher auf jene drei Punkte beschränkt und eine 120 Minuten lange Explosionsszene geschaffen, in der Bond durch computeranimierte Wellen surft und in einem unsichtbaren Aston Martin Jagd auf einen genmanipulierten Nordkoreaner macht. Herzlichen Glückwunsch! Tatsächlich ist es traurig, was der Zuschauer in „Stirb an einem anderen Tag“ vorgesetzt bekommt, denn wenn dies der neue Bond sein soll, dann hätte man ihn ehrlich gesagt lieber vor langer, langer Zeit sterben lassen sollen.
Das Debakel beginnt eigentlich schon mit der legendären Einführungssequenz. Wenn James Bond hier den Abzug betätigt, färbt sich nicht mehr nur die Leinwand rot, nein dem Zuschauer fliegt nun sogar eine computeranimierte Kugel entgegen. Eine Neuerung, die man eigentlich unbeachtet lassen könnte. Leider ist sie aber eine Vorausdeutung auf all das, was den Zuschauer noch erwartet, nämlich eine gnadenlose Vernichtung von all dem, was uns am britischen Geheimagenten so sehr fasziniert.
In der ersten Szene des Films erreicht Bond durch meterhohe Wellen auf einem Surfbrett die nordkoreanische Küste, wo er schließlich gefangen genommen wird und 14 Monate in einem Kerker wartet, bis er glücklicherweise freigelassen wird. Mit diesem Vorspann ist der Mythos eigentlich schon zerstört. Die sagenhafte Unbesiegbarkeit des 007 wird auf einen Schlag weggewischt und Bond und Surfen, das passt so gut zusammen wie Wodka-Martini und Triple X. Früher spielte Bond Golf, Polo oder ging ins Casino. Heute ist er als Beachboy in Nordkorea unterwegs, eine traurige Entwicklung.
Ich verzichte an dieser Stelle darauf, den weiteren Handlungsverlauf zu schildern. Um einen Gesamteindruck von „Stirb an einem anderen Tag“ zu bekommen, braucht man sich eigentlich nur den Trailer anzuschauen. Ob Film oder Trailer, was übrig bleibt, ist ein einziger Feuerball mit dummen Sprüchen. Viel lieber widme ich mich der Frage, warum der neue Bond auf ganzer Linie scheitert, sei es nun als Bond- oder als Unterhaltungsfilm. Die Gründe hierfür sind so zahlreich, dass man eigentlich gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Beginnen wir mit dem quasi nicht existierenden Drehbuch. Der Film besitzt im Endeffekt keine Erzählstruktur, es gibt keine Spannungskurve, es gibt keinen Höhepunkt, also absolut nichts was irgendwie im Entferntesten Spannung erzeugen könnte. Was die Besetzung betrifft, so kann man ebenfalls nur mit dem Kopf schütteln. Natürlich stellt Brosnan äußerlich einen perfekten Bond dar, doch was er schauspielerisch in seinem 4.Abenteuer abliefert ist einfach nur traurig. Brosnan spielt 007 durchgehend mit solch strenger Miene, als wolle er aller Welt zeigen, dass er eben nicht nur Remington Steele, sondern eben auch James Bond sein kann. Die Ironie an der Sache ist allerdings, dass er ein ungleich besserer Bond wäre, wenn er die Rolle so spielen würde wie Remington Steele. Er schafft es nicht ein einziges Mal, seiner Figur ein wenig Witz oder vor allem Charme einzuhauchen. Der Bonddarsteller, der diese Kunst wohl am besten beherrscht hat, war Roger Moore. Seine Ironie und Überlegenheit werden wohl für immer unerreicht bleiben, ganz zu schweigen von seinen absolut genialen One-Linern. Letztere sind im neuesten Streifen übrigens auf allerunterstes Niveau abgerutscht. Platter geht es wirklich nicht mehr. Um das Debakel schließlich abzurunden, passt sich Halle Berry, noch vor kurzem mit dem Oscar als beste Schauspielerin ausgezeichnet, nahtlos dem Niveau des Films an. Ihr Auftritt als amerikanische Top-Agentin, die Bond den Sex seines Lebens beschert, und ihm nebenbei mehrfach das Leben rettet, ist nicht nur unglaubwürdig, sondern einfach nur noch höchst peinlich. Hinter der Kamera stand diesmal Lee Tamahori. Der Neuseeländer hat mit „The Edge“ erst kürzlich einen hervorragenden Abenteuerfilm gedreht und nach eigener Aussage, ist „Liebesgrüße aus Moskau“ sein Lieblingsbondfilm, die Effektfeuerwerke mit Roger Moore hätten ihm dagegen weniger gefallen. Eine Aussage, die man so eigentlich unterschreiben könnte. Schaut man sich danach allerdings Tamahoris fertiges Meisterwerk an, muss man sich wirklich fragen, ob er diese Aussage denn tatsächlich jemals gemacht hat. Kein Film der Bond-Reihe ist vom Charme des zweiten Abenteuers mit Sean Connery soweit entfernt wie das Effektfeuerwerk „Stirb an einem anderen Tag“. Wahrscheinlich liegt die Schuld daran aber gar nicht beim Regisseur, sondern vielmehr bei den Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson. Mit dem Ausscheiden von Albert Broccoli, haben sich die beiden drauf und dran gemacht, das Image von 007 zu modernisieren. Die Figur James Bond sollte realistischer werden, allerdings nicht auf Handlungs-, sondern auf emotionaler Ebene. Meiner Meinung nach, ein Widerspruch in sich. Bond sollte menschlicher werden und anfangen an seiner Arbeit zu zweifeln, gleichzeitig aber ohne Fallschirm einem abstürzendem Flugzeug hinterher springen. Das kann so einfach nicht zusammenpassen. Entweder man zeigt das Bild eines realistischen Geheimagenten ohne viel Glanz und Glamour, oder man macht eben einen James Bond-Film. Zu letzterem gehört ein Held, der weder verwundbar, noch realistisch erscheinen muss. Im Gegenteil, die Faszination von Bond liegt in seiner Überlegenheit begründet. Bond ist immer und jederzeit Herr der Lage. Er beherrscht seine Gegenspieler ebenso wie seine Frauen, die ihm reihenweise zu Füßen liegen, er hat die Lizenz zum Töten und raucht zwei Schachteln Zigaretten am Tag. Natürlich ist eine solche Person heutzutage in Zeiten der political correctness und Gleichberechtigung unvorstellbar, aber James Bond war schon immer mehr Mythos als Realität. Es gibt genau eine Stelle in „Stirb an einem andern Tag“, die genau das dokumentiert. Es ist die mit Abstand beste und lustigste Szene des Films, die einzige, in der Brosnan den Hauch von Charme versprüht. Es ist jene Szene, in der sich Moneypenny und James Bond zum ersten Mal wirklich näher kommen. Vielleicht ist es ja Ironie des Schicksals, dass genau jene Szene eine Traumsequenz ist, und eben nicht Realität. Anscheinend ist der James Bond, den wir alle so sehr mögen, tatsächlich schon vor langer, langer Zeit gestorben.
Zu Beginn dieses Artikels habe ich gefragt, was man von einem Bond-Film erwartet. Sicher, es sind die hübschen Frauen, es sind die technischen Spielzeuge und auch ganz sicher die schnellen Autos. Doch zum Abschluss frage ich noch einmal. Was fasziniert uns tatsächlich an James Bond? Die Antwort: Sein tadelloses Auftreten, sein unvergleichlicher Charme und seine einzigartige Überlegenheit. Nichts davon besitzt „Stirb an einem anderen Tag“ auch nur im Ansatz.
Johannes Miesen
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Stavros  Status: Felix Leiter
 

Status: Offline Registriert seit: 13.09.2002 Beiträge: 308 Nachricht senden | Erstellt am 04.12.2002 - 11:06 | |
Schade Johannes,
dass Du so wenig Freude an DAD hast. Ich kann Deine Kritik an DAD überhaupt nicht teilen. Gleichwohl gefällt mir, was Du allgemein über Bond geschrieben hast. Ein Widerspruch? Nein! Was Du an DAD so zu vermissen scheinst, habe ich dort gefunden. Bond ist viel eindimensionaler (im besten Sinne) als noch in TWINE oder GE. Mir erscheint er wieder als der Supermacho, als der Geheimagent mit dem exquisiten Geschmack. Bond bestellet Champagner und lässt sich Hummer bringen. Er trinkt Martini und raucht Zigarren. Bond ist absolut überlegen. Zwar kritisieren manche Fans die Folterszenen, dennoch halte ich sie für so verschwommen, dass dies Bonds Heldenimage nicht wirklich kratzt. Kaum der Folter entlassen, sehen wir unseren Helden mit Champagner in der Präsidentensuite in Hong Kong. Nein, die Folter ficht ihn nicht an, auch nicht, dass er 14 Monate seines Lebens verloren hat. Was solls. Die Rechnung wird beglichen...und damit hat es sich dann. Bond als psychische Wrack ---nööö! Den psychisch angegriffenen Bond wie in TWINE und vor allem GE bekommen wir hier nicht zu sehen.
DAD ist unrealistich. Natürlich ist er das. Welcher Bond-Film ist eigentlich realistisch? FRWL? Vielleicht. Was stört an einem genmanipulierten Koreaner und an einem unsichtbaren Superauto? Was stört an einem unverwundbaren Stahlgebissträger und einem U-Boot-Auto? Was stört an einem golfballzerquetschenden Handlanger und einem Schmugglerauto aus purem Gold? Was stört an einem Aston Martin, der mit einem Laser ein Polizeiauto so zerschneidet, wie es nie möglich ist, was stört an einer Pipeline-Reinigungsvorrichtung die eine 90 Grad-Biegung nimmt? – Nichts! Und mich stört es nicht. Realität habe ich im Beruf, in den Nachrichten (vielleicht), jedenfalls im Alltag. Bei Bond will ich keinen Alltag. Dass aber früher die Bondfilme anderer Machart (aber auch da gab es doch gewaltige Unterschiede, z.B.: FRWL, LALD, TSWLM und TLD) waren, ist für mich nicht schlimm. Das ist James Bond. Der Charakter ist so typentolerant, dass nicht nur unterschiedliche Schauspieler James Bond verkörpern können, sondern dass der Charakter auch die unterschiedlichste Machart der Filme verträgt.
Sicher, DAD ist nicht der beste Bondfilm, der je gedreht wurde, aber ein Platz im gesicherten Mittelfeld steht ihm wohl zu. Was heute von manchen Kritikern geäussert wird, ist nahezu so alt wie die ganze Serie. James Bond lebte immer davon, aktuell zu sein, zeitgemässe Trends zu verarbeiten und sie dem Publikum zu servieren. Schon immer wurde versucht, Bond dem Geschmack des Publikums anzupassen, ohne die unverzichtbaren Ingredenzien zu vernachlässigen. Du zählst die Zutaten, die untrennbar mit Bond verbunden sind richtig auf. Nur Dein Ergebnis ist ein anderes. Während Du die Mischung nicht nur mittelmässig, sondern dröge findest, halte ich die Mixtur für gelungen.
Auch was den Spannungsbogen betrifft, komme ich zu einem anderen Ergebnis. Für mich ist er durchaus vorhanden, gleichwohl muss ich bemerken, dass das Ende des Filmes wohl zu lang ist. Eine Kürzung um 15 Minuten hätte mehr genützt als geschadet. Aber dennoch, der Film ist spannend. Und zwar genau so spannend, wie ich es von einem Bond-Streifen erwarte. Nervenzerfetzende Spannung, die fast an Angst grenzt, ist nicht das Exitement, das Bondfilme ausmacht. Und diese von mir erwartete Spannung habe ich bekommen.
Das gleiche gilt für die Atmosphäre. Endlich – so empfinde ich es – haben wir wieder welche. 2/3 des Filmes sind m.E. atmosphärisch sehr dicht. Da kam echtes Bond-Feeling auf. Trotz, oder gerade wegen der Folterszene und der Verquickung von Ernst und überbordender Phantasie. Dieses Bond-Abenteuer nimmt einen endlich mal wieder auf eine exotische und spannende Reise. Waren vor allem GE und TWINE eher düster, womit ich auch gerade das Filmmaterial, die Beleuchtung meine, haben wir mit DAD die langersehnte Farbfülle.
Für mich wirkt dieser Bond – das habe ich schon wiederholt in anderen Threads geschrieben – wie TSWLM. Endlich raus, aus der Falle von GE und TWINE. Beide Filme DAD und TSWLM sind sehr bondig und “leiden“ an einem gewissen Realtitätsverlust. Welcher der beiden letztgenannten Filme bei mir persönlich letztendlich höher im Kurs liegen wird, muss die Zukunft zeigen. Aber schon jetzt ist sicher: DAD wird mich (wie TSWLM) auch in Zukunft immer wieder aufs Beste unterhalten.
Was ist nun mein Fazit: Ich habe “Die Another Day“ mittlerweile dreimal gesehen. Und sicher werde ich ihn mir noch drei- bis viermal ansehen. Und warum? Zum einen weil ich ein Fan von James Bond bin und ich auch den Anspruch habe, jeden Film recht gut zu kennen. Zum anderen, weil mir DAD einfach einen Riesenspass macht. Vielleicht war es ein Vorteil, dass ich die letzten zwei Wochen vor dem Start mich kaum noch über DAD informiert habe, dass ich zu vermeiden versuchte, Spoiler und Kritiken vorab zu lesen. So kam ich doch relativ “unschuldig“ in Bond XX. Und ich habe es genossen, diesen tollen Film zu sehen.
Viele Grüsse Stavros
Signatur Das beste Männerparfüm ist der Whisky. Brendan Behan |
cyrus_poonawalla  Status: Sir Frederick Gray
    

Status: Offline Registriert seit: 12.11.2002 Beiträge: 3628 Nachricht senden | Erstellt am 04.12.2002 - 12:58 | |
@ Stavros:
Ich hätte es nicht besser schreiben können. Ob ich allerdings DAD mit TSWLM auf eine Stufe setzen würde, bezweifle ich. Für mich ist DAD mit keinem der anderen Filme vergleichbar. Allerdings kann ich auch kaum die anderen Filme miteiander vergleichen; jeder Bondfilm hat etwas, was ihn einmalig macht. Und mit diesem "etwas" meine ich nicht den einen oder anderen Efekt, sondern die jeweilige Atmosphäre des Films. Und die Atmosphäre von DAD ist einmalig.
In seinen schönsten Momenten erinnert dieser Film mich an OHMSS; nämlich dann, wenn Bond an den "alten" Gadgets vorbeigeht und sich staunend an sie erinnert (wie wir das schon in OHMSS sahen), die Autojagd erinnert mich an GE, wenn auch anders, als Du jetzt vielleicht denkst: in GE gibt es einen Einzeiler "Boys and their toys", der mir immer wider durch den Kopf ging, als ich die Spielereien in beiden Autos sah.
Auch ich habe mich auf diesen Film nicht "vorbereitet", wollte mich größtenteils überraschen lassen und habe nur das Buch vorher gelesen, wohl wissend, daß sich Buch und Film trotzdem manchmal unterscheiden. Und als ich das Buch gelesen hatte, fragte ich mich, wie sie darsu einen 134 Minuten langen Film machen wollten. Ich habe Längen und Hänger erwartet ,aber keine gefunden, die Zeit im Kino verging wie im Flug -etwas, was mir schon lange nicht mehr passiert ist.
Mir hat nur eine einzige Stelle fast körperlich wehgetan, und das war die Sequenz, in welcher der Doc sein Gentherapieverfahren erläutert. Ich bin zu sehr vom Fach, als das mir die Unmöglichkeit dieser Art von "Therapie" nicht sofort ins Auge springen würde. Aber ähnliche medizinische Unmöglichkeiten hatten wir auch schon in TWINE (die Kugel in der Medulla oblongata - klingt gut, würde aber nicht nur die Sensorik lahm legen - und wenn doch, könnte Renard nichts mehr festhalten oder auch nur gerade stehenbleiben, ohne sich bewußt darauf zu konzentrieren) oder die Veränderung des Augapfels durch eine simple Hornhautverpflanzung (NSNA).
Insgesamt hat dieser Film wieder die richtige Mischung aus grausamer Realität (die Foltersequenz) und dem typischen Bondfeeling. Geradzu zelebriert wird dieses Feeling in dem Moment, in welchem Bond mit Bart, verfilztem Haar und zerrissener Kleidung, barfuß und triefend vor Nässe, in eines der elegentesten Hotels in Hongkong tritt und seine übliche Suite mit einer Selbstverständlichkeit verlangt, als ob sein Aussehen absolut nicht relvant sei. Und er hat Recht: des ist es nicht. Bond bleibt Bond, auch nach vierzehn Monaten Folterhaft - und das ist Bond , wie wir ihn schon immer kannten und wollten - und wie wir ihn in den letzten Filmen bisweilen vermissten.
Ist Bond durch einen xxx- beliebigen Agenten austauschbar? Diese Szene alleine gibt die eindeutige Antwort: Nein! Niemals!
Und das ist auch gut so!
Gruss, Cyrus
Signatur When I invite a woman to dinner I expect her to look in my face. That's the price she has to pay... |