kralhei  Administrator
       

Status: Offline Registriert seit: 25.01.2007 Beiträge: 781 Nachricht senden | Erstellt am 03.04.2007 - 12:13 |  |
Aussiger aus Nollendorf
Fast alle Aussiger kannten Nollendorf. Durch den Bau der „Carl-Weis-Warte" und des „Naturfreundeheimes" war Aussig mit Nollendorf verbunden. Nollendorf war ein echtes Waldhufendorf mit 35 Bauerngütern. Doch die 495 ha Erde, karger Gebirgsboden, konnte schon im 18. Jh. alle Bewohner nicht mehr ernähren. Zu Beginn des letzten Krieges waren gerade noch 25 % der Einwohner von Nollendorf in der Landwirtschaft tätig.
So mussten unsere Nollendorfer sich immer um Nebenverdienste umsehen, die man auf vielerlei Weise einbrachte. So fehlte z. B. in keinem Hause eine Schnitzelbank. Man verfertigte Schlitten, Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände aus Holz, Leitern, Raufen, Zäune, Bänke, Tische, Schindeln, Röhren und noch anderes mehr. Man flocht Handkörbe, Buckelkörbe aus Weidenruten und Strohbänder, Türschützer, Schuhabstreifer aus Stroh. Zur Zeit des Flachsbaues wurde Garn und Zwirn erzeugt und auf Webstühlen im Hause wurde Leinen gewebt; es wurde auch viel gestrickt. Vielfach verkaufte man die Erzeugnisse des Hausfleißes nach auswärts, man ging in andere Dörfer „Hausieren".
Im Sommer waren Partien mit Maurern, Zimmerleuten und Dachdeckern unterwegs, die manchmal weitab von zu Hause „ihr Brot" verdienten. So lesen wir in „Aus alten Herrschaftsbüchern", mitgeteilt von Rudolf Köhler im Jahrbuch 1929 für Aussig auf Seite 5o-52 über „Das Schlösschen in Predlitz" (gebaut Anno 1766) u. a.: ,,... Als Baumeister war der aus dem zur Herrschaft Schönwald gehörigen Dorf Nahlendorf (= Nollendorf untertänige Polier Christian Güttler ..."
Auch als Holzmacher, Schnallenmacher, Köhler, Fuhrmann (Frächter) und als Bediensteter der Herrschaft konnte man „seine Gulden" machen. Im 19. Jh. hatten einige Bauern ein gutes Einkommen durch Handel mit Heu, Getreide, und Hopfen. Der aufkommende Kohlenbergbau zog dann viele Gebirgler „in's Land".
Von dem bereits aufgeführten Oberlehrer Rudolf Köhler aus Nollendorf wissen wir auch, dass durch entsprechendes Studium immer wieder junge Männer zu ihrem Beruf kamen. Von den Geburtsjahrgängen von 1825-1880 waren es 18, nämlich
1 Dr. der Rechte,
1 Dr. der Theologie,
1 Dr. der Philosophie,
2 Dr. der Medizin
1 Hofrat,
1 Pfarrer
7 Lehrer einschl. Gymnasiallehrer
2 k.u k. Offiziere (Hauptleute)
1 Baumeister
1 Kohlengrubenbesitzer
Von den genannten Studierten war Herr Sylvester Bail, geb. 1864 in Nollendorf Nr. 73, Lehrer in Türmitz und Herr Josef Bail, geb. 1861 in Nollendorf Nr. 19, Lehrer in Aussig.
Am bekanntesten dürfte allerdings der Nollendorfer sein, der vor 40 Jahren am 31. Dezember 1936 in Aussig verstorben ist und der in dem vom Hilfsverein Aussig im Jahre 1960 herausgegebenen Heimatbuch „Geschichte der deutschen Stadt Aussig", verfasst von Franz Josef Umlauft, auf Seite 452 wie folgt verzeichnet ist:
„JUDr. Adolf Klepsch, geb. am 25. Oktober 1859 in Nollendorf Nr. 88, wirkte seit 1895 als Rechtsanwalt in Aussig, war Mitbegründer der Ortsgruppe des Bundes der Deutschen in Böhmen, von 1901 bis 1913 Obmann des Aussiger Turnvereins, von 1906 bis 1922 auch Obmann des Bundes deutscher Hausbesitzervereine. Als Rechtsanwalt erfreute er sich in Fachkreisen großer Wertschätzung und gehörte lange Jahre der Aussiger Stadtvertretung an. Er starb am 31. Dezember 1936."
In das aufblühende Aussig zog es immer wieder Nollendorfer, die später auch dort sesshaft wurden. Die beiden letzten bekannten Familien bekamen 1939 in Aussig eine Wohnung, da der Haushaltungsvorstand einen ständigen Arbeitsplatz in Aussig gefunden hatte.
Es waren aber auch sonst ständig Nollendorfer in Aussig beschäftigt, die täglich nach Nollendorf zurückkehrten. 1940 waren es
3 Arbeiter, 2 Angestellte und 5 Lehrlinge.
Zu den Lehrlingen zählte damals auch der Verfasser dieser Zeilen.
Willibald Bail
AB 28/4
[Dieser Beitrag wurde am 03.04.2007 - 17:01 von kralhei aktualisiert]
Signatur Karl Heinz Kralowetz |